Harry Frommermann
von Broody
Max Harry FROMMERMANN
(ab 1944 Harry Maxim Frohman)
* 12.10.1906 in Berlin
† 29.10.1975 in Bremen
Harry Frommermann wurde am 12. Oktober 1906 in seinem Elternhaus in Berlin-Mitte, Rosenthaler Straße 45, geboren. Sein Vater Alexander Frommermann, geboren am 12. April 1856 in Zwanitz (Ukraine), war jüdischer Abstammung und kam über Wien, Frankfurt am Main und Leipzig nach Berlin. Er war studierter Sänger und Kantor einer jüdischen Gemeinde in Berlin sowie seit 1894 Inhaber einer Kantorenschule. Harry Frommermanns Mutter Maria Leonie Frommermann, geborene Emsheimer, geboren am 7. März 1874 in Neuhausen bei Worms, war ebenfalls jüdischer Abstammung und gelernte Putzmacherin. Sein im Jahre 1911 geborener Bruder Kurt Leo starb bereits kurz nach der Geburt. Aus der ersten Ehe seines Vaters stammten Harry Frommermanns ältere Stiefschwestern Anna und Rosa.
Der Vater begeisterte den jungen Harry schon früh für Musik, brachte ihm Musiktheorie und Harmonielehre bei, nahm ihn mit zu Proben der Berliner Philharmoniker unter Arthur Nikisch und sorgte dafür, dass er Klavierunterricht erhielt.
Harry Frommermann besuchte von 1912 bis 1922 die Mittelschule der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Großen Hamburger Strasse. Während der Schulzeit wirkte er bei Theateraufführungen mit und besuchte immer öfter Theatervorstellungen. Sein Vater verwehrte ihm jedoch zeitlebens den Wunsch, Schauspieler zu werden, und gab Harry nach dem Schulabschluss in eine kaufmännische Lehre in einem Geschäft für Damenbekleidung.
Nachdem sein Vater am 14. Oktober 1924 in Berlin gestorben war, brach Harry Frommermann die Lehre ab und bewarb sich zum 1. Oktober 1925 an der Staatlichen Schauspielschule Berlin. Dort wurde er aber wegen schlechten Betragens bereits nach einem halben Jahr entlassen. In dieser Zeit lernte er Jesta Nielsen kennen, die Tochter der Schauspielerin Asta Nielsen.
Danach erhielt Harry Frommermann Engagements an der Berliner Volksbühne als Darsteller von Kleinrollen. Nach dem Tod der Mutter am 18. Januar 1927 stand der noch minderjährige Harry Frommermann vorübergehend unter der Vormundschaft seines Schwagers. Ende 1927 zog er in eine eigene Wohnung in Berlin-Friedenau, Stubenrauchstraße 47. Er begeisterte sich für die Musik der amerikanischen Gruppe The Revelers und schrieb Arrangements in deren Stil in der Absicht, ein ähnliches Gesangsensemble zu gründen. Unterstützt wurde er dabei von seinem Freund, dem Chorsänger und Pianisten Theodor Steiner (1905-1970), mit dem er Ende 1927 die Melodiemakers gründete. Im Dezember 1927 veröffentlichte Harry Frommermann eine Anzeige im Berliner Lokalanzeiger, mit der er Gleichgesinnte als Sänger suchte. Nach ersten Proben nahmen Frommermann und Steiner im April 1928 Robert Biberti, Ari Leschnikoff und Walter Nussbaum bei ihrer Gruppe unter Vertrag, die sie im September 1928 in Comedian Harmonists umbenannten. Nach einigen Umbesetzungen feierte die Gruppe mit Robert Biberti, Ari Leschnikoff, Erich Collin, Roman Cycowski und Erwin Bootz als Pianisten erste Erfolge auf Kleinkunstbühnen und in Revuen in Berlin und nahm erste Schallplatten auf. Ab Januar 1930 folgten eigene abendfüllende Konzerte, zahlreiche Plattenaufnahmen und die Mitwirkung in mehreren Spielfilmen. Im Mai 1931 heiratete Frommermann Marie Erna Elise Linn Eggstein (* 20. Juni 1905 in Hannover – † August 1992 in New York), und zog mit ihr in die erste gemeinsame Wohnung in der Bamberger Straße 8.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begegneten der Gruppe erste Widerstände, auch Schmähkritiken, antisemitische Anwürfe, schließlich offene Anfeindungen und erste Auftrittsverbote, unter anderem im Rundfunk und beim Film. Nach der neuen Gesetzgebung durften in Deutschland nur Künstler auftreten, die Mitglieder der Reichskulturkammer waren – dies wurde Juden aber verwehrt. Der Versuch, im gesamten Jahr 1934 ausschließlich Engagements außerhalb Deutschlands zu bestreiten, verbesserte die Situation nicht. Harry Frommermann wurde von der Reichskulturkammer – ebenso wie Erich Collin und Roman Cycowski – als vorläufiges Mitglied in einer „Liste der Nichtarier“ geführt und erhielt die Mitgliedsnummer 12823. Als Biberti, Bootz und Leschnikoff im Februar 1935 die schriftliche Mitteilung erhielten, dass sie offiziell in die Reichskulturkammer aufgenommen worden sind, die Aufnahme der „nichtarischen“ Mitglieder aber abgelehnt wurde, trennte sich die Gruppe, und Frommermann, Collin und Cycowski verließen Deutschland gemeinsam mit ihren Ehefrauen, um in Wien eine neue Gruppe gleichen Namens zu gründen. Harry und Erna Frommermann ließen den größten Teil ihres Vermögens sowie ihre gesamte Wohnungseinrichtung in der Paulsborner Straße 20 in Berlin zurück.
Familie Frommermann wohnte zunächst zur Untermiete in der Fischerstiege 5/6 in der Wiener Innenstadt, später in der Gustav-Mahler-Straße 7 und schließlich in einer eigenen Wohnung in der Wurzingergasse 4 im 18. Bezirk. Nach der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland konnte Harry Frommermann nicht mehr nach Wien zurückkehren und musste erneut Hab und Gut zurücklassen. Die Gruppe fand zunächst in London Asyl, Harry und Erna Frommermann wohnten in einer Pension in der Fitzjohns Avenue. Die neue Gruppe trat inzwischen in der ganzen Welt sowohl als Comedian Harmonists als auch als Comedy Harmonists auf und kehrte nie mehr nach Deutschland zurück. Bei einer Tournee vom Sommer bis zum Jahresende 1937 durch Australien und Neuseeland entstand die Idee, sich in Australien niederzulassen. Doch die Gruppe reiste erneut um die Welt und kehrte erst im Juni 1939 nach Australien zurück. Nach einer Tournee in den USA bis Anfang 1940 konnte die Gruppe wegen des Seekrieges nicht nach Europa oder Australien zurückkehren und musste sich mit Engagements in Nachtclubs durchschlagen. Aufgrund verschiedener künstlerischer und auch zwischenmenschlicher Probleme kam es zu ersten Auflösungserscheinungen. Nach dem Ausscheiden von Rudolf Mayreder im Sommer 1940 wurde ein neuer Bass eingearbeitet. Als dann im Frühjahr 1941 auch Roman Cycowski ausschied, löste sich die Gruppe endgültig auf. Harry Frommermann zog mit seiner Frau nach New York und arbeitete zunächst in einer Radiofabrik. Gleichzeitig versuchte er mit Unterstützung von Hilfsorganisationen eine neue Gruppe aufzubauen, die Harmony Singers. Doch diese Gruppe hatte nur einen einzigen Auftritt, Anfang Februar 1943 im New Yorker Waldorf Astoria Hotel mit Rossinis Ouvertüre zum „Barbier von Sevilla“.
Am 15. Mai 1943 trat Harry Frommermann in die US Army ein und diente in Jackson/Mississippi, wo er auf Antrag vom 13. Januar 1944 eingebürgert wurde. Dabei änderte er seinen Familiennamen, Max Harry Frommermann nannte sich seitdem Harry Maxim Frohman. Im August 1945 wurde Harry Frohman als Private First Class aus der US Army entlassen. Im Oktober erhielt er eine Stelle als Übersetzer bei den Nürnberger Prozessen und konnte auf diese Weise nach Deutschland zurückkehren. Ab dem 25. April 1946 bis Dezember 1947 war Harry Frohman Kontrolloffizier der US-Administration beim Rundfunksender RIAS Berlin. Hier kümmerte er sich um die Programmgestaltung und um die Belange der deutschen Mitarbeiter des Senders. In dieser Zeit nahm er auch wieder Kontakt zu Robert Biberti auf und lernte seine spätere Lebensgefährtin Erika von Späth kennen.
Ab Anfang 1948 versuchte sich Harry Frohman als Makler in der Schweiz und lebte in Zürich. Für die Anbahnung von Verträgen reiste er im Frühjahr erneut nach Deutschland. Im September erhielt er jedoch ein Telegramm von Erich Collin. Dessen neue, amerikanische Comedian Harmonists benötigten dringend einen Tenor-Buffo, um ihre Skandinavien-Tournee fortsetzen zu können. So reiste Harry Frohman nach Dänemark und trat ab September mit der amerikanischen Gruppe in Dänemark, Belgien, den Niederlanden, Frankreich und in der Schweiz auf, wo im Februar 1949 auch einige neue Plattenaufnahmen entstanden. Wegen künstlerischer Differenzen löste sich die Gruppe unmittelbar danach in Italien auf.
Frohman ging nach Rom und arbeitete als künstlerischer Beirat beim Rundfunksender RAI.
Im März 1950 gründete er die Gruppe „Harry Frohman And His Harmonists“, mit der er häufig im Rundfunk auftrat. Doch auch diese Gruppe brach bald danach wieder auseinander. Anfang 1951 reiste Harry Frohman in die Schweiz zurück, wo er in Lausanne vergeblich ein Ex- und Importgeschäft aufzubauen versuchte. Er wohnte dort in der Avenue Béthusy 75. Schließlich kehrte er im Juli 1951 nach New York zurück. Er hatte sich inzwischen mit seiner Frau, die sich seit ihrer Einbürgerung Marion Frohman nannte, auseinander gelebt. Die Ehe wurde im Januar 1952 geschieden.
Harry Frohman war Fabrikarbeiter mit einem Einkommen von 60 Dollar pro Woche. Er montierte Alarmanlagen oder bearbeitete Formteile an einer Presse. In dieser Zeit lebte er in einer Wohngemeinschaft in New York. Die wenigen Dollar, die ihm die His Masters Voice halbjährlich an Tantiemen für die Aufnahmen der alten Gruppen überwies, waren kaum der Rede wert. Im Gegensatz zu den luxuriösen Zeiten Anfang der 1930er Jahre lebte Harry Frohman in kargen Verhältnissen und war oft verzweifelt. Ab Herbst 1953 experimentierte er mit Tonbandaufnahmen. Er wollte mit selbst aufgenommenen und zusammenkopierten Stimmen und Instrumenten-Imitationen ein Ein-Mann-Orchester auf die Bühne bringen. Erhalten geblieben ist von diesen Experimenten eine Aufnahme von Rimsky-Korsakoffs „Hummelflug“.
Ab 1954 wurde Harry Frohman von Erich Collin bedrängt, erneut eine amerikanische Gruppe auf die Beine zu stellen. Diese Überlegungen scheiterten jedoch an künstlerischen und finanziellen Meinungsverschiedenheiten. 1954 besorgte Frohman die deutsche Übersetzung von „The Audition“ („Der Schauspieler“), Oper in einem Akt von Alfred Goodman (eigtl. Guttmann), Libretto Elliot Arluck.
Silvester 1955 lernte Harry Frohman die deutschstämmige Amerikanerin Olga Bertha Wolff (1925-1964) kennen, die als Telefonistin arbeitete und die er bereits Ende Februar 1956 heiratete. Frohman arbeitete als Taxifahrer, Möbelverkäufer, Buchhalter einer Fotofabrik und verrichtete verschiedene Aushilfstätigkeiten, immer wieder unterbrochen von Krankheit und Arbeitslosigkeit. Nebenher belegte er Kurse für Radio- und Fernsehproduktionen und verdiente sich nach Feierabend mit Buchhaltung noch etwas dazu. Außerdem war er freischaffend als Komponist tätig, zusammen mit Adam Garner komponierte er den Titel „Sirocco“, der jedoch nie veröffentlicht wurde.
1958 stellte er in Deutschland einen Entschädigungsantrag für die erlittenen materiellen, beruflichen und gesundheitlichen Schäden durch die Verfolgung und Vertreibung durch die Nationalsozialisten. 1959 trennte er sich ohne Scheidung von seiner zweiten Ehefrau. Ende der 1950er Jahre kümmerte sich Frohman gemeinsam mit Collin und Cycowski auch um den Verbleib der Nachkriegs-Tantiemen ihrer Schallplattenaufnahmen.
Im Juli 1962 kehrte Harry Frohman per Schiff nach Deutschland zurück. Seine Bekannte Erika von Späth, mit der er einen lebhaften Briefwechsel geführt hatte, organisierte ihm eine erste Unterkunft in Bremen, von wo aus sich Harry Frohman um seine Entschädigungsangelegenheiten kümmerte. Dazu hielt er sich auch zeitweilig bei seinem Neffen in Berlin auf. Schließlich erhielt er eine Entschädigungszahlung und eine Rentennachzahlung sowie ab März 1964 eine Altersrente. Einen Teil der Gelder nutzte er, um seine Tonbandversuche fortzusetzen. Es gelang ihm nicht mehr, eine bezahlte Tätigkeit aufzunehmen. In den folgenden Jahren besuchte er u. a. auch Robert Biberti in Berlin. Ab 1968 lebte Harry Frohman im Hause von Erika von Späth. Zwischen 1966 und 1975 war er an mehreren Radioproduktionen über die Comedian Harmonists beteiligt. 1969 führte Frohman einen Rechtsstreit mit Biberti über die Nachkriegstantiemen, den er aber verlor. Danach kam es zu einer außergerichtlichen Einigung zwischen Frohman und der Plattenfirma Electrola.
1975 wandte sich dann Eberhard Fechner an Harry Frohman und vereinbarte mit ihm Interviews für seine geplante Fernsehsendung über die Comedian Harmonists. Daraufhin kam es zwischen Frohman und Biberti zu einem erbitterten Streit über die Urheberschaft der Comedian Harmonists. Frohman drohte sogar, seine Zusage gegenüber Fechner zurückzuziehen, wenn Biberti weiter darauf beharren würde, Mitbegründer der Comedian Harmonists gewesen zu sein, wie er das in Rundfunksendungen und auf Plattenhüllen verbreitet hatte. Kurz vor den geplanten Interviews lenkte Biberti ein und versprach, sich nicht länger als Gründer der Gruppe bezeichnen zu wollen. Zu dieser Zeit befand sich Harry Frohman zum Kuraufenthalt in Badenweiler. Nach seiner Rückkehr nach Bremen, unmittelbar vor dem vereinbarten Interviewtermin mit Fechner, verstarb Harry Frohman am 29. Oktober 1975 in Bremen. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Bremen-Riensberg.
Marion Frohman hatte in New York eine Ausbildung in einem Schönheitssalon gemacht und arbeitete fortan in diesem Beruf. Nach der Scheidung von Harry Frohman holte sie ihre Eltern aus Deutschland nach New York. Später heiratete sie ihren Arbeitgeber und hieß dann Marion Kiss. Sie verstarb im August 1992 in New York. Erika von Späth verstarb im August 1998 in Bremen. Frohmans Stiefschwester Rosa war 1939 nach England emigriert und 1960 nach Berlin zurückgekehrt, wo sie 1962 verstarb. Seine Stiefschwester Anna ist während des Zweiten Weltkriegs verschollen. Heute lebt nur noch eine Großnichte von Harry Frommermann/Frohman in Deutschland sowie entfernte Verwandte in den USA und Australien.
Seit dem 7. September 1990 befindet sich an Harry Frommermanns früherem Wohnhaus und Gründungsort der Comedian Harmonists in der Stubenrauchstraße 47 in Berlin-Friedenau eine Gedenktafel, die an die Gründung des weltberühmten Vokalensembles zum Jahreswechsel 1927/28 und dessen erzwungene Trennung im Jahr 1935 erinnert. Sie wurde von Prof. Dr. Peter Czada initiiert, dem Begründer des Comedian-Harmonists-Archivs und Autor eines Buches über die Comedian Harmonists.
An der letzten bekannten Adresse der Familie Frommermann in Berlin (Charlottenburg-Wilmersdorf, Paulsborner Str. 20) wurden im August 2023 auf Initiative von Freunden der Comedian Harmonists Stolpersteine für Harry und Erna Frommernan als vertriebene jüdische Bürger verlegt.
Unter Verwendung von Nachlässen und publizierten Quellen.